Toubab

23. - 26. April 2012: Olmabratwürste in Francistown

Und so hat alles begonnen: Francistown im Feierabendverkehr, wir sind nach dem Grenzübertritt von Zimbabwe und getanen Einkäufen im neuen Land müde und v.a. spät dran und wälzen uns durch den Verkehr und hoffen, bald einen Campingplatz zu finden. Plötzlich hält vor uns ein Wagen am Strassenrand und der Fahrer winkt uns heraus. Nein, nicht schon wieder eine Panne! So mein erster Gedanke… und dann grosse Erleichterung, als der Autofahrer uns mit einem «Grüezi» anspricht. Wo wir denn übernachten wollen? Wir wissen es noch nicht so genau. Wir sollen ihm folgen…

Kurze Zeit später stehen wir mit unserer Schildkröte vor dem Tor eines grossen (schönen!) Wohnhauses. Beat Quinter, vor über 20 Jahren als junger (mittelloser) Metzger vom Toggenburg nach Botswana ausgewandert und unterdessen Inhaber einer riesigen Sicherheitsfirma, wird während den nächsten drei Tagen unser Gastgeber sein: Ein sehr grosszügiger, liebenswürdiger Mensch (mit Bündner Wurzeln!) mit einer interessanten und beachtlichen Lebensgeschichte. Olivia und Gian schliessen sofort enge Freundschaft mit Nina und Joe, den deutsch-japanischen Kindern von Beat’s bestem Freund Luz. Interessanterweise kommunizieren die Kinder mehrheitlich in Englisch und nicht in Deutsch… Wir kriegen dank Beat’s Waschmaschine wieder einmal die Bettwäsche gründlich sauber, bekommen edlen Wein serviert und eine Olmabratwurst aufgetischt. Wie gut es uns doch geht! Wir sind Beat sehr dankbar für seine Grosszügigkeit, tun uns ein wenig schwer, nach drei Tagen weiterzuziehen und hoffen aber auf ein Wiedersehen mit unserem neuen Freund in der Schweiz, wo wir uns hoffentlich ein bisschen revanchieren können… Viva la Grischa!

 

26. – 30. April 2012: Von Francistown nach Maun - inkl. Reifenpanne…

Die erste Etappe führt uns durch dichtes, farbiges und fast menschenleeres Buschland zur Ostseite der Sua-Salzpfanne, wo wir im Bird Sanctuary einen einfachen Campingplatz finden. Leider liegt der zwar schöne Platz recht nah an der Hauptstrasse und so begleiten uns die Motorengeräusche der Lastwagenfahrer fast die ganze Nacht lang. Aber der Sonnenuntergang über der Salzpfanne ist wieder einmal ein herrliches Spektakel à l’afriquaine…

Am nächsten Tag wollen wir von Gweta aus einen Abstecher zur Ntwetwe-Pan machen, um den gigantischen Chapman’s Baobab – der angeblich zweitgrösste Affenbrotbaum Afrikas – aufzusuchen. Die schmale Piste stellt für unser grosses Gefährt das weit grössere Problem dar, als der stellenweise tiefe Sand: Mit Luft ablassen ist dem Einsanden vorgebeugt, nicht aber dem Steckenbleiben zwischen dem widerspenstigen Busch- und Baumwerk. Und so muss, je weiter wir in den Busch vordringen, der Weg freigeschlagen werden. Trotz neuer Machete und guter Axt ist das harte Arbeit. Sämi weiss jetzt schon: Auf unserer nächsten Reise werden wir eine Kettensäge mitnehmen! Und dann kommt es, wie es eben kommen muss: Tief im Busch draussen, knappe 6 km vor unserem Ziel, lenkt Sämi die Schildkröte über einen vermeintlich morschen Baumstrunk mit der Idee, diesen platt zu fahren, so dass er nicht schon wieder aussteigen und hacken muss und dann macht es plötzlich pfffffffff… Die Schildkröte macht eben doch nicht alles mit: Wir haben soeben den ersten Platten eingefangen…

Nun gibt es Arbeit! Es ist kurz vor 16 Uhr und das Ziel ist, noch vor dem Einnachten (in knapp 2 Stunden), das Rad gewechselt zu haben. Olivia und Gian finden den Vorfall spektakulär, Olivia erläutert Gian ausführlich, wie es ihrer Meinung nach zur Panne gekommen ist. Olivia meint, es sei ja nicht so schlimm, erst vier platte Reifen würden ein echtes Problem darstellen und zudem könnten wir ja jemanden anrufen und mitteilen, dass wir eine Panne haben. Natürlich haben wir hier im Busch draussen kein Netzwerk, aber auch das bringt die Kinder nicht aus der Ruhe. Es ist schon toll, wie Olivia und Gian alles einfach so mitmachen, nie die geringste Angst verspüren, uns Eltern blind vertrauen, immer das Positive sehen, … Das hilft uns Erwachsenen auch im neusten Fall, ohne zu Fluchen (ja, Sämi hat es tatsächlich fertig gebracht, nicht lauthals zu fluchen!) und ohne Stressmacherei die Arbeit anzupacken und das Problem zu lösen. Olivia bietet sogar ihre Hilfe an (Reserverad mit der Winde herunterlassen), während Gian vertieft und zufrieden zwischen Elefantenmist und Termitenhügel neue Pisten für seine Autos baut. Nach eineinhalb Stunden ist dank familiärer Teamarbeit das Rad gewechselt und wir fahren noch ein paar Meter weit, bis die Schildkröte gerade steht und haben das heutige Nachtlager schon bezogen. Noch kurz Tisch und Stühle aufstellen und dann haben wir alle ein kühles Bier resp. Sprite verdient! Der Busch liefert uns genügend Brennholz und so fehlt es heute Abend an gar nichts: Wir haben absolute Ruhe, afrikanischen Sonnenuntergang und Sternenhimmel, Lagerfeuer, tiefste Zufriedenheit… Afrika gehört uns alleine! Wir sind der Meinung, dass sich die Schildkröte nicht den schlechtesten Ort ausgesucht hat, einen Platten zu haben: Kein Verkehr und keine Zuschauer haben uns bei der Arbeit gestört. Nur lästige Dornen, die sich locker durch die Schuhsohlen bohren, und Spinnennetze, die Busch und Baum verbinden.

Wir wollen unser eigentliches Ziel, den grossen Baobab, nicht aufgeben und machen uns am nächsten Morgen auf die verbleibende 6 km lange Strecke. Aber nach 150 Metern ist schon wieder Holzschlag angesagt und so brauchen wir für lediglich 300 Meter eine ganze Stunde, bis wir schliesslich entkräftet aufgegeben. Das macht keinen Sinn! Besser, wir wenden und führen die Schildkröte ohne weitere Panne wieder aus dem Busch raus und freuen uns über alle anderen (kleineren) Baobabs in der Region und über eine Abkühlung im Pool des Planet Baobab in Gweta, wo wir gleich für zwei Nächte einchecken. Nach der Arbeit folgt ja bekanntlich das Vergnügen… Trotz Winterzeit ist es in der Kalahari tagsüber doch sehr heiss, dafür sehr trocken. Unser absolut liebstes Klima! Gegen ein Bad im grosszügigen Pool des Planet Boabab und ein Savanna Dry gegen den Durst – das lassen wir uns nicht entgehen… Schön hämmers!

Aber am Montag heisst es wieder «Arbeiten»: Die verbleibenden knapp 300 km bis Maun sind auf der tadellosen Strasse schnell abgespult. Nun müssen wir nach einer Reifen-Werkstatt Ausschau halten. Wir werden sofort fündig und schon nach einer Stunde ist der Reservereifen vom Dach geholt, der kaputte Pneu ersetzt und das Vorderrad ausgetauscht. Von nun an wird die Schildkröte mit zwei nagelneuen Profilen über Afrikas Strassen kriechen. Am Schluss die Rechnung: 50 Pula – das sind ca. 6 CHF…

 

30. April – 2. Mai 2012: Maun – Das Okavangodelta aus der Vogelperspektive

Mit Maun haben wir die «Hauptstadt» der touristisch beliebten Okavangodelta-Region erreicht. Wir brüten über der Landkarte und machen uns Gedanken, wie wir am ehesten einen Eindruck von dieser riesigen Landschaft bekommen können. Schnell kommen wir zum Schluss, dass das mit der Schildkröte schwierig werden könnte: Die Pisten sind schlecht und eng, wir sind sehr langsam und die Eintrittsgebühren sind relativ teuer für ausländische Besucher und Fahrzeuge. Und was, wenn wir uns das ganze Naturwunder aus der Luft anschauen? Nur kurz widerspreche ich Sämi’s Vorschlag und als wir uns nach den Preisen erkundigen, finden wir, dass ein knapp 300-fränkiger Rundflug übers Delta mit Abstand der angenehmste und beste Weg für uns vier ist und die Schildkröte muss sich nicht schon wieder durch die Büsche quälen.

Und so kommen wir am 1. Mai 2012 zu diesem spontanen Abenteuer – Olivia und Gian besteigen zum ersten Mal in ihrem Leben ein Flugzeug und sind natürlich ganz aus dem Häuschen! Die weibliche Hälfte der Familie geniesst den Flug von A bis Z – während die männliche Hälfte gegen Unwohlsein resp. Müdigkeit kämpft… Dennoch: Wir alle sind beeindruckt von der Weite, den Farben und den unzähligen Elefanten- und Büffelherden der Okavangodeltaregion. Der Flug hat sich auf jeden Fall gelohnt! Von allen Tieren lassen sich die Elefanten aus der Vogelperspektive ihrer Grösse wegen am besten erkennen und es ist beeindruckend zu sehen, wie die grauen Riesen durch die tiefen Sümpfe des Okavango waten. So schön der Flug und die damit verbundenen Eindrücke, so fest geniessen wir es wieder, als wir festen Boden unter den Füssen haben und uns mit einer kühlen Cola erfrischen können (es war sehr heiss im Flugzeug!).

 

2. – 5. Mai 2012: Im Nordwesten Botswanas – zwischen Okavango-Sumpf und dem «Louvre der Kalahari» zur namibianischen Grenze

In Maun decken wir uns nochmals mit Vorräten und Diesel ein, um die nächsten Tage im kargen und dünn besiedelten Nordwesten Botswanas ohne Versorgungsprobleme zu überstehen. Es ist sehr heiss «hier oben». Wir merken bald, dass es für uns am angenehmsten ist, wenn wir zur grossen Mittagshitze fahren und uns wenigstens am Fahrtwind ein bisschen erfrischen können. Unser Trinkwasserkonsum ist wieder mächtig angestiegen und am Abend ruft die ausgetrocknete Kehle nur so nach einem kühlen Bier. Weit vor Sepupa weist eine Tafel auf die «Sepupa Swamp Stop Lodge» hin – ein schöner Platz direkt am Okavangofluss mit Pool… Das tönt gut.

Also steuern wir doch diesen Platz an, eine Erfrischung im Pool kommt uns sehr gelegen. Endlich erreichen wir gegen 16 Uhr Sepupa und fahren zum Fluss hinunter. Aber dann ist plötzlich Endstation: Infolge Hochwassers (die Regenzeit ist noch nicht so lange vorbei) kann der Damm über den Okavango nicht überquert werden, die Lodge kann nur mit dem Boot erreicht werden. Und so verzichten wir halt auf den Pool, parkieren dafür an schöner Lage direkt an den Ufern des Okavango, wo wir sogar einen Parkplatzwächter an der Seite haben. Wir sind zum Glück für solche Situationen gerüstet und so können wir problemlos die Nacht hier verbringen – wir haben ja alles mit dabei! Feuerholz haben wir schnell beschafft und nur kurze Zeit später zaubert Sämi eine perfekt grillierte Boerwors auf den Tisch. Wir geniessen einmal mehr einen einmalig schönen afrikanischen Sonnenuntergang resp. Mondaufgang und lauschen den vielen Tiergeräuschen und versuchen herauszufinden, welche Tiere unweit von uns zirpen, quaken, zwitschern, grunzen, etc. Das «Okavango-Hörspiel» begleitet uns bis in den Schlaf… Erst das Brüllen eines Flusspferdes holt uns am frühen Morgen ins Bewusstsein zurück.

68 km Fahrt über eine ausgefurchte Nachregenzeit-Piste bringt uns zum «Louvre der Kalahariwüste» - den Tsodilo Hills. Auf drei Hügel verteilt lassen sich zum Teil sehr gut erhaltene Felszeichnungen der frühen Kalahari-Buschmänner besichtigen. Die ersten Zeichnungen sollen vor über beachtlichen 10'000 Jahren entstanden sein. Seit 2001 gehören die Tsodilo Hills zum Weltkulturerbe der UNESCO. Speziell an diesen sehr abgelegen situierten Hügeln ist, dass man sie kostenlos besichtigen kann. Auch auf dem einfachen, aber sehr sauberen Campingplatz darf man gratis übernachten. Für wenig Geld kann man sich aber einen Führer nehmen. So kommt wenigstens ein bisschen Geld den hier ansässigen Bewohnern zu Gute. Thebe, unser Guide, führt uns durch Höhlen und zu Felsmalereien, die wir auf eigene Faust wahrscheinlich nicht entdeckt hätten. Zudem weist er uns auf frische Spuren der hierzulande so gefürchteten Puffotter hin und erzählt uns von den Überlebensstrategien der San in der Kalahari. Ein interessanter Nachmittag!

Unser Botswana-Aufenthalt endet schliesslich mit einer Übernachtung auf einem sehr grosszügig angelegten Platz direkt am Okavango südlich von Shakawe, wo wir auf einer kleinen Bootstour die einmalige Flusslandschaft bei Vorabendstimmung geniessen und wieder einmal Krokodile der ganz grossen Sorte beim Sonnenbad bewundern können.

So einfach die Einreise nach Botswana, so problemlos die Ausreise aus diesem Land. Botswana, we will be back again…

 

5. – 11. Mai 2012: Ein grosser Kreis schliesst sich… - Namibia zum Zweiten

Mit einem kurzen Abstecher ins Mahango Nature Reserve sind wir zurück in Namibia’s Tierwelt. Olivia und Gian dürfen via Dachluke auf die Kabine hinauf und die Elefanten aus bester Position beobachten… Der zwar unbequeme und heisse, aber ausserordentliche Sitzplatz auf dem Dach der Schildkröte ist weit spektakulärer für die beiden, als die Elefanten, Büffel und Giraffen, denen wir begegnen…

In der Ngepi Lodge können wir direkt am Okavango logieren und am nächsten Morgen einen Sonntagsbrunch mit exklusiver Aussicht auf den stattlichen Fluss geniessen. Wir ziehen nur 5 km weiter nordwärts, und finden mit der Nunda Lodge ein kleines Paradies. Eine liebevoll und schön aufgebaute River-Lodge mit einem grossen Pool. Hier lässt sich der Sonntag perfekt vertreiben! Und das Schönste: Völlig spontan machen Sämi und ich uns einen gemütlichen Abend bei einem Dinner im Lodge-Restaurant (das muss doch auch wieder einmal sein!), während Olivia und Gian schon tief und fest schlafen und vom Nilpferd träumen, das gelegentlich in der Nacht unter ihre Bettdecke schlüpft…

Am Montag ziehen wir aber mit Freuden weiter, denn ein grosses Wiedersehen steht uns bevor: Wir sind – nach über drei Monaten – wieder in Rundu bei Familie Abt zu Besuch… Und so schliesst sich unser Kreis durchs südliche Afrika. Wir sind wieder an einem Punkt, wo wir schon einmal waren und treffen mit viel Freude auf «alte Bekannte». Das ist schön!

Wir verbringen vier schöne und gemütliche Tage in Rundu: Die Kinder spielen, basteln, fahren Velo und haben’s (meistens :-) lustig miteinander, wir Erwachsenen haben viel zu Erzählen und Reisetipps auszutauschen. Das nächste Wiedersehen mit der Familie Abt muss stattfinden. Aber das wird wohl in der Schweiz sein…

 

11. – 17. Mai 2012: Nordnamibia – vom Kavango übers Ovamboland ins Kaokoveld zu den Himba-Nomaden

So und jetzt ist es endlich an der Zeit, dass wir den Norden Namibias noch bereisen! Seit unserer Abreise in der Schweiz freuen wir uns aufs Comeback im Ovamboland und im Kaokoveld…

Zuerst führt uns eine gemütliche Fahrt dem Okavango und der angolanischen Grenze entlang bis Nkurenkuru, wo wir mit einer Übernachtung im nur sehr schwer auffindbaren Simanya Rapids Camp vom Okavango Abschied nehmen, um Tags darauf westwärts ins Ovamboland zu ziehen. An der Kavango-Region gefallen uns die Wälder, die liebevoll gebauten (meist eckigen) Strohhütten und natürlich der Fluss, der dieser Region den Namen gab. Je nördlicher wir fahren, desto dünner besiedelt und waldiger das Gebiet. Und dann der grosse Gegensatz, kaum haben wir die Grenze zum Ovamboland überquert: Kaum Bäume und Sträucher, auffallend viele Menschen und Wellblechhüttensiedlungen, viele Rinder und Ziegen, die noch die letzten vorhandenen Sträucher abzufressen scheinen. Es ist unvorstellbar, dass das Ovamboland vor 50 Jahren noch mit dichtem Wald und Buschwerk überzogen war. Die sich stark ausbreitenden Bewohner, die Ovambos, haben fast alles abgeholzt. Mit über 700'000 Einwohnern machen die Ovambos fast die Hälfte der gesamten Bevölkerung Namibias aus – kein Wunder, dass sie seit Jahren den Präsidenten und die Mehrheit im Parlament stellen.

Für uns ist der Wechsel ins Ovamboland mit viel Freude und etwas Aufregung verbunden. Vor 17 Jahren absolvierte ich in Oshikuku einen Volontäreinsatz. Letztmals war ich vor 12 Jahren hier, zusammen mit Sämi. Nun sind wir also sehr gespannt, wie es in Oshikuku heute aussieht! Auf der langen Fahrt nordwestwärts stellen wir fest, dass das Ovamboland im Aufschwung ist: Grosse Industrieanlagen, Garagen und Supermärkte säumen den Strassenrand und es wurde eine neue Bahnlinie bis Oshakati gebaut. Wow, das Gebiet schaut den Wettbewerb mit dem Süden aufnehmen zu wollen. So neu uns vieles scheint, so viel Altbekanntem begegnen wir: Winkende und strahlende Kinder, störrische Esel, die nicht von der Strasse weichen wollen, riesige in Staubwolken gehüllte Rinderherden, Fischer, die mit grossen Korbreusen die noch letzten Fische aus der Oshana holen und am Strassenrand verkaufen (Oshanas werden die hiesigen Seen genannt, die sich während der Regenzeit bilden und dann wieder austrocknen), ein Bottle Store nach dem anderen (mit immer noch denselben originellen Namen - in originaler Schreibweise: Millenium, My Frend, Kilimanjalo, Appollo Eleven Nr. 1 and Nr. 2, Wellcome, The Boss Nr. 1 and 2 and 3, The Skopion etc.). Wir sind zurück im Ovamboland und in Schwarzafrika!

Nach einem Übernachtungshalt in Ondangwa, wo wir einen traditionellen Kraal von Innen besichtigen können, geht’s am Muttertag nach Oshakati und Oshikuku. Bis auf die moderner gewordene Infrastruktur zeigen sich auch diese Orte in gewohnter Atmosphäre. Den Weg zur Mission-Station in Oshikuku finden wir problemlos. In der Kirche findet eine grosse Zeremonie anlässlich des Muttertages statt, vor der Kirche verkaufen die Frauen Fatcookies (frittierte süsse Brötchen), rund um die Station grasen Ziegen und Rinder, die wenigen Schattenplätze sind gut besetzt von weiss-ich-nicht-auf-was wartenden Kindern und Männern. Es ist noch alles beim Alten. Ausser dass niemand mehr hier arbeitet, den ich noch kennen könnte. Die Mission scheint die besten Tage hinter sich zu haben. Sie macht einen verlassenen Eindruck auf uns. Die Missions-Werkstatt scheint schon seit Langem still gelegt worden zu sein. Die Musikschule, die ich damals noch mitaufgebaut habe, präsentiert sich zwar von einer funktionierenden Seite, aber sie wird von Lehrern geleitet, die ich alle nicht mehr kenne. Aber das wusste ich schon. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Anlage trotzen wir der Mittagshitze nicht mehr länger und gönnen uns ein kühles Coke im Appolo Eleven Bottle Store an der Strasse vorne – das war anno dazumal so quasi meine «Stammbeiz». Das Appolo Eleven sieht immer noch gleich aus – innen und aussen. Ein kurzer Schwatz mit einem Stammgast bestätigt meine Vermutung, dass ich in Oshikuku kaum noch auf alte Bekanntschaften treffen werde. Alle sind sie in den Süden ausgewandert, auf der Suche nach dem grossen Job-Glück. Ja, so verlassen wir Oshikuku nach kurzer Zeit wieder – aber ich bin sehr froh, dass wir den Abstecher hierher gemacht haben. Alte Erinnerungen sind wieder wach geworden und das ist schön! Hier hat schliesslich vor 17 Jahren meine Afrika-Leidenschaft ihren Anfang genommen… Nun stehe ich mit meiner Familie hier und ein weiterer Kreis scheint sich geschlossen zu haben.

Die knapp 100 km bis Ruacana schaffen wir problemlos während der Nachmittagshitze. Je länger wir durchs Ovamboland fahren, desto mehr bestätigt sich, dass die diesjährige Regenzeit wenig Wasser gebracht hat. Die Oshanas sind schon bedrohlich klein und die dominierende Farbe der Pflanzenwelt ist jetzt schon gelb und braun. Manchmal fällt die Wasser-Verteilung ungerecht aus: Während man uns in Uganda und Kenia über fast zu viel Regen geklagt hat (es war von einem Jahrhundertregen die Rede), scheinen Namibia, Botswana und Zimbabwe dieses Jahr schlecht bedient worden zu sein.

Auf dem Hippo Pool Community Camp direkt am Kunene River sind wir wieder einmal die einzigen Gäste und es ist schwierig, den schönsten Platz auszusuchen. Schliesslich muss es der Platz mit dem grössten Baum sein. Trotz Wind ist es tagsüber heiss und selbst wir sonnengewöhnten Halbafrikaner ziehen den Schatten vor. Das heisse Klima lässt Gian überzeugen, dass ein Kurzhaarschnitt wieder mehr Komfort bringt. Während unsere Männer ihren «Pelz» lassen, bringt sich Olivia das Schreiben selbst bei und ich kümmere mich um selbst gebackenes Brot. Auf der Sandbank im Fluss draussen sonnt sich ein grosses Exemplar eines Crocs. Die drei Hunde, das Geisslein mit den «Lampiohren» und das dünne schwarze Huhn, die auf diesem Platz zuhause sind, fühlen sich bei uns sichtlich wohl und wir müssen den Schattenplatz mit ihnen teilen. Ja, wir hätten schon oft ein Haustier adoptieren können…

In Ruacana treffen wir auf die ersten Himba – die «roten Nomaden Namibias». Wir verlassen das Ovamboland und wechseln allmählich ins Gebiet des Kaokoveldes. Die Himba leben im Einklang mit der Natur, sie tragen keine Kleidung, nur Lederschürzen, aber kunstvoll geflochtenes Haar und schlichten Schmuck (aus Knochen, Horn, Leder, Kupfer, Nüssen etc. gefertigt). Und die Frauen und Mädchen reiben ihren ganzen Körper mit einer roten Fettmasse (ein Gemisch aus Kuhfett und dem fürs Kaokoveld typischen roten Sandstaub) ein – u.a. aus Schönheitszwecken. Ein schönes Volk, das Dank seinem Stolz wohl noch nicht so schnell dem Untergang geweiht ist, wie zum Beispiel die Buschmänner in der Kalahari…

Wir setzen die Fahrt dem Kunene flussabwärts folgend auf einer schmalen Piste fort. Wir haben unterschiedliche Informationen zum Zustand dieser Piste. Wir entschliessen uns, mal loszufahren und im Zweifelsfalle umzudrehen. Aber soweit kommt es zum Glück nicht. Die knapp 60 km schaffen wir in vier Stunden. Immer wieder sind sehr steile, felsige oder sandige Abschnitte zu bewältigen, die nur im Schritttempo zu fahren sind. Auch kleine Wasserdurchfahrten sorgen für Abwechslung. So richtig anspruchsvoll ist die Piste aber bis auf wenige Ausnahmen, die Sämi und die Schildkröte in erfahrener Zusammenarbeit aber problemlos meistern, nicht. In Swartbooisdrif wird die weitere Strasse dem Kunene entlang aber so richtig schlecht und wir entscheiden uns, die Epupa Falls auf einem Umweg über die Hauptpiste zu erreichen.

Kurz vor Sonnenuntergang und bei schönsten Lichtverhältnissen schaffen wir’s zu den Wasserfällen und finden ein wunderschönes Plätzchen direkt am Fluss und unter hohen Palmen mit Blick auf die Fälle. Epupa ist zu unserer Überraschung touristisch noch nicht so stark vermasselt und so ist schnell entschieden, dass wir uns für diesen schönen Ort zwei Tage Zeit nehmen wollen. Wir klettern über die Felsen ganz nah an die Fälle ran, lassen Steine und Äste in die Tiefe sausen, beobachten die Menschen, die ihren Alltagspflichten am Fluss nachkommen und verbringen die heissen Stunden des Nachmittags im Pool des Omarunga Camps.

 

17. – 21. Mai 2012: Auf einsamen Pfaden durchs Kaokoveld und eine Panne mit schwerwiegenden Folgen…

An Auffahrt wollen wir es nochmals wissen und entschieden uns für eine Tour quer durchs Kaokoveld abseits der Hauptpisten – wo die Himbas noch weitgehend unberührt vom Touristenstrom leben können. Werden wir da auch auf die weissen Wüstenelefanten treffen? In Opuwo füllen wir vorher nochmals die Vorräte auf – so gut es geht: Das Sortiment des Supermarktes in Opuwo ist nicht zu Vergleichen mit einem Supermarkt im Süden Namibias. Die Schildkröte muss noch Motorenöl nachgefüllt bekommen. 20 km südlich von Opuwo verlassen wir dann die C45 und biegen auf die D3707 ein. Schon bald ändert die Piste von zwei- auf einspurig und wir holpern auf sehr schroffen und felsigen Wegen westwärts. Immer wieder müssen wir ein ausgetrocknetes Flussbett queren. Das sandige Bett ist weniger das Problem als die steilen Ab- resp. Auffahrten. Aber mit der Geländeuntersetzung meistert das die Schildkröte ohne zu Bocken. Nach etwa 60 km kreuzen wir die ersten Fahrzeuge: Es sind (ausgerechnet!) Schweizer, die mit 3 Mietwagen unterwegs sind. Sie raten uns, umzudrehen, denn wir würden mit dem Lastwagen an einer Stelle nicht durchkommen, weil ein Bauwagen mitten auf der Piste stehe. Es ist schon spät, umdrehen wollen wir eigentlich nicht, weil wir nicht nochmals die schlechte Strecke zurückfahren wollen. Also fahren wir noch ein wenig weiter und suchen uns zuerst mal ein ideales Busch-Plätzchen, wo wir übernachten können. Schon bald sitzen wir bei einem kühlen Bier und Coci, schauen in die Flammen des Buschfeuers, die zum Sternenhimmel hochschiessen und geniessen die einmalige Stille in dieser unberührten Gegend.

Am nächsten Morgen entdecken wir unweit von unserem Buschcamp frische Elefantenspuren… Aber wo bleiben die Elefanten? Wir fahren weiter und treffen auf ein Fahrzeug mit Einheimischen, die uns Mut machen und meinen, wir würden am kaputten Bauwagen vorbei kommen. Also gut: Jetzt ist erst recht klar, dass wir weiterfahren und uns ein eigenes Bild von der Stelle machen wollen. Notfalls können wir ja immer noch umdrehen. Treibstoff haben wir genug. Die Piste schlängelt sich durch Hügel und an steilen Felspassagen vorbei. Nach langsamer Fahrt (50 km in 4 Stunden!), wenige Kilometer vor Orupembe, ist die Schlüsselstelle erreicht. Tatsächlich: Mitten im steilen Wegstück steht ein Bauwagen mit gebrochener Achse. Die Bauarbeiter sind vor Ort, aber sie arbeiten an der Planierung der Piste unterhalb. Der Bauwagen scheint nicht wirklich ihr Problem zu sein. Man kann ja trotzdem noch drin wohnen… Wir wagen es, links am Bauwagen vorbei über fussballgrosses Geröll zu kriechen. Vorher müssen aber diverse Brocken weg gehievt und der Weg so gut wie möglich «geebnet» werden. In der Untersetzung und mit angehaltenem Atem (ein Passagier, zumindest…) holpert die Schildkröte Zentimeter um Zentimeter am Unfallfahrzeug vorbei, bis die Piste wieder erreicht ist. Ja! Wir haben es geschafft.

Es kommt mir vor wie in Michael Ende’s «unendlicher Geschichte»… So gross die Euphorie, so stark der Ärger über die nächsten Kilometer übelste Wellblechpiste, wo es uns gehörig durchschüttelt. Wenn nur alles Stand hält… Keine halbe Stunde, nachdem wir uns diese Frage gestellt haben, knallt es verdächtig. Hat Sämi einen grossen Stein übersehen? Nein, kann nicht sein. Ich habe auch nichts auf der Piste liegen gesehen. Wir sind unterdessen ins aride und menschenverlassene Gebiet des Kokoveldes eingetaucht und können im flachen Gelände endlich wieder etwas zügiger rollen. Irgendwann dreht der Wind und ich finde, die Schildkröte dröhnt verdächtig. Unser sofortige Verdacht bewahrheitet sich mit einem Blick unter das Fahrzeug: Der Auspuff ist weg! Darum hat es vorhin geknallt! Das Schutzblech und die Stossstange hinten links sind total verbogen. Wir drehen um und nach «nur» 10 km finden wir den «verlorenen Sohn» wieder.

Der Topf ist bis auf ein paar leichte Beulen noch ganz, aber das Endrohr ist total zerquetscht. Sofort werfen wir wieder einen Blick unter das Auto, aber wir können keine weiteren Schäden erkennen. Gottseidank! Schon wieder eine Reifenpanne hätte nicht sein müssen… Der Auspuff wird zu Brennholz, Kohle und Kindervelos hinten drauf gebunden und wir fahren sofort weiter unserem Ziel Purros entgegen. Jetzt wollen wir das einfache Camp in Purros erst recht noch am heutigen Tag erreichen und nicht nochmals in der Wildnis übernachten. Wir schaffen es tatsächlich bis Purros – leider ohne einem einzigen Wüstenelefnaten zu begegnen. Jenu! Wir lassen diesen ereignisreichen Tag am Lagerfeuer ausklingen und fallen bald todmüde ins Bett.

Am nächsten Morgen steigt Sämi in die Buschmechaniker-Hose und macht sich an die Arbeit. Die Auspuffhalterung ist wieder mal gerissen. Robbin, der das Camp hier betreut und einem verraten kann, wo sich die Wüstenelefanten aufhalten, bietet seine Hilfe an und läuft mit der Halterung sechs km hin und wieder zurück, um diese in einer Werkstatt schweissen zu lassen. Sämi schraubt währenddessen das zerquetschte Auspuff-Endstück ab und nimmt sich wieder einmal dem immer grösser werdenden Leck am Dieseltank an. Wir setzen unterdessen tagtäglich deutlich über einen Liter Diesel in den Sand. Das soll nicht sein. Sämi ist ein hervorragender Buschmechaniker geworden und weiss den Tank tatsächlich abzudichten. Hoffentlich hält der Flick bis Windhoek, wo wir uns endlich auf die Suche nach einem neuen Tank machen wollen. Mit der geschweissten Halterung schraubt Sämi den Auspuff im Nu wieder hoch und nach einem kurzen Test stellen wir mit Freuden fest, dass die Schildkröte wieder «normale» Laute von sich gibt. Aber unsere Freude wird schnell getrübt: Als Sämi die paar Meter Testfahrt zurücklegt und ich zu Fuss nebenher gehe, höre ich ein Zischen. Also doch ein Folgeschaden!

Den Auspuff hat es an die Bremsleitung geschleudert und diese zerrissen. Also wieder ab in die Mechhose und das ganze Werkzeug hervorholen! Leider schafft es Sämi mit allen vorhandenen Mitteln nicht, die unter sehr hohem Druck stehende Leitung abzudichten und so entscheidet er sich, das defekte Stück herauszuschneiden. So weit so gut. Aber wie kriegen wir den Metallring wieder über und den –noppen unter den Schlauch? Ohne eine Lösung gefunden zu haben, vergeht der heutige Tag und wir werden morgen Sonntag weiter machen müssen. So abgelegen Purros ist, wir haben wenigstens schwachen Handy-Empfang und – iPad sei Dank! – können mit unserer namibianischen SIM-Karte sogar mailen (Sämi musste zu diesem Zweck die SIM-Karte noch zuschneiden), wenn auch nur an einer bestimmten Stelle, die wir zuerst ausfindig machen müssen. So können wir mit der Schweiz Kontakt aufnehmen, vielleicht hat da jemand einen guten Rat. Wir sind sehr froh, dass wir gestern noch bis Purros gefahren sind und nicht mehr in der Wüste draussen stecken.

Am nächsten Morgen kommt Sämi mit seinen Ideen nicht weiter. Eben sind andere Leute angekommen, die uns ein extra starkes Tape anbieten. Das hätten wir gestern brauchen können! Damit hätten wir das Leck einfach abdichten und so bis zur nächsten Werkstatt im 350 km entfernten Kamanjab fahren können… Zu spät! Wir müssen uns weiterhin den Kopf zerbrechen, wie wir Metall und Schlauch wieder vereinen können. Mit Hitze? Hält das der Schlauch aus? Hoch konzentriert sitzen wir unter dem Fahrzeug und verpassen fast, wie ein Elefant seelenruhig an uns vorbei spaziert, würde Olivia ihn nicht plötzlich entdecken… Der Besuch des weissen Wüstenelefanten ist eine erfreuliche Sonntagmorgen-Überraschung! Lange bleibt er ganz nah bei uns und nimmt sein Frühstück von den vielen Büschen und Bäumen, die hier dem Flussbett entlang in grossen Mengen vorkommen.

Bald steht Robbin wieder da und schlägt vor, mit Sämi wieder in die Werkstatt der sechs Kilometer entfernten Lodge zu gehen, wo man Schlauch und Metall vielleicht wieder zusammenfügen kann. Zwar hat uns unterdessen die Hiobs-Botschaft aus der Schweiz erreicht, dass die Reparatur nur mit einem hydraulischen Spezialwerkzeug gemacht werden kann. Trotzdem machen sich die beiden auf den langen, sandigen und heissen Weg (es bleibt uns gar nichts anderes übrig), während ich mit den Kindern hier bleibe und hoffe, dass kein Elefant zu nahe kommt. Die Wüstenelefanten gelten angeblich als besonders angriffig und gefährlich, wenn sie sich in irgendeiner Art bedroht fühlen. Es kommt anscheinend immer wieder zu tödlichen Unfällen mit unvorsichtigen Touristen. Und tragischerweise muss ein Elefant, der einen Touristen getötet hat, erschossen werden, weil er sonst wieder und wieder töten würde.

Während sich also Sämi durch die Wüste kämpft, bin ich gefordert, indem ich Olivia und Gian immer wieder daran erinnern muss, dass sie bei mir bleiben, nicht lärmen und wild herumspringen und keine Spielsachen frei herumliegen lassen, denn das könnte die Elefanten provozieren, hat man uns gewarnt. Das ist eine grosse Herausforderung – für die Kinder und für mich!

Nach etwa drei Stunden sind die Männer wieder zurück – müde und verschwitzt, aber mit einem geflickten Bremsschlauch! Ja klar, wir sind in Afrika und da lässt sich doch immer eine Lösung finden. So auch im jüngsten Fall: Mit einem Lötkolben hat der Lodge-Werkstatt-Mechaniker den Schlauch erhitzt und so schliesslich den Metallpfropfen in und den Ring über den Schlauch zwängen können. Natürlich ist der Schlauch von der Hitze etwas strapaziert, aber wir können ja mit dem Tape die Stelle sichern. Kaum hat sich Sämi im Schatten und mit Hilfe von gekühltem Wasser vom weiten Fussmarsch erholt, macht er sich wieder an die Arbeit - und siehe da: Der Schlauch hält dem Druck Stand, die Bremse kann wieder gelöst werden und die Schildkröte rollt wieder. Mir kommen fast die Freudentränen… Welche Erleichterung! Ich sah mich schon zwei weitere Tage mit den Kindern hier rumsitzen, während Sämi per Anhalter ins 350 km entfernte Kamanjab reist, um den Schlauch zu reparieren. Olivia und Gian können uns nicht ganz nachfühlen. Einmal mehr ist es ihnen «pudelwohl» auf diesem Platz und es berührt sie ganz und gar nicht, dass wir soeben ein grosses Problem gelöst haben. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte die Welt durch Kinderaugen sehen…

Aber eben: Morgen können wir alle nach Kamanjab fahren! Das wird langsam nötig, denn unsere Vorräte werden immer spärlicher. Gemüse, Früchte und Fleisch sind ausgegangen, das allerletzte Mehl ist gestern Abend zu Brot gemacht worden und auch das Bier wird heute Abend zur Neige gehen. Das ist unser Pech. Unser Glück ist aber einmal mehr, dass wir ZEIT haben.

Mit einem grossen Lagerfeuer beenden wir den heutigen Tag. Die Kinder schlafen schon tief und fest und Sämi erzählt mir von den interessanten Gesprächen, die er mit Robbin auf dem langen Weg geführt hat und wie sie Giraffen und Springböcken begegnet sind (Sämi hat sich ein wenig wie in seinem Lieblingsfilm «Die Götter müssen verrückt sein» gefühlt…), da raschelt und knackt es plötzlich direkt neben uns im Busch. Ein Elefant? Wir leuchten mit der Taschenlampe in Richtung Busch und dann trompetet es laut und heftig. Ja, ein Elefant! Und zwar einer, der nicht von einer Lampe geblendet werden will… Blitzschnell ist Sämi im Lastwagen drin (jetzt weiss ich, warum man ihn in der Pfadi auf den Namen «Pfiil» getauft hat…).

Am nächsten Morgen können wir die tellergrossen Spuren des nächtlichen Besuchers gut erkennen und mit den Kindern verfolgen. Auch Giraffen- und Springböcke müssen in der Nacht hier gewesen sein. Wie aufregend!

Nach dem Frühstück müssen wir aber nichts wie los, denn bis Kamanjab sind 350 km Piste zu fahren und wir rechnen mit schlechten Abschnitten im ersten Drittel bis Sesfontein. Am meisten zu schaffen macht uns die Durchquerung des breiten und sandigen Flussbettes des Hoarusib River. Nachdem wir endlich eine für die Schildkröte passende Abfahrt ins Flussbett gefunden und überwunden haben, passiert es: Wir sanden ein! Auch das noch… Wir müssen wieder mal schaufeln, Luft ablassen und mit Steinen einen Pfad bauen – das ganze Programm. Nach getaner Knochenarbeit die Bilanz: Wir haben für 8 km ganze 1,5 Stunden gebraucht! So kann es aber nicht weitergehen… Tut es auch nicht. Obschon: Die Fahrt bis Sesfontein ist holprig und anstrengend. Aber die Landschaft und die Tiere (Giraffen, Zebras, Strausse, Oryxe, Springböcke) sind atemberaubend!!!

Es wird tatsächlich Abend und die Sonne ist eben untergegangen, als wir ENDLICH Kamanjab erreichen und auf eine Teerstrasse rollen. Das ist eine Wohltat nach einigen Tagen auf Schüttelpiste. Und die Erleichterung ist gross, dass wir wieder in zivilisierter Gegend mit Werkstatt, Einkauf und Tankstelle sind. Aber darum kümmern wir uns morgen. Jetzt geht es auf direktem Weg ins Oppi Koppi Restcamp. Das ist ein ganz besonderes Camp: Hier dürfen individuell reisende Overlander nämlich GRATIS campieren. Das Belgische Besitzer-Paar ist früher selber durch die halbe Welt gereist. Seit drei Jahren betreiben sie nun diese Lodge. In einem speziellen Overlander-Buch bilden sie die Overlander-Besucher inkl. Fahrzeug ab. Wir werden auch noch zum Fototermin aufgeboten…;-) Dass wir hier gratis campieren, den Pool und das WiFi benutzen dürfen, ist mega cool. Dass wir zum Znacht ein Giraffen- resp. Zebrasteak serviert bekommen und herrlich warm duschen können, ist (nach unserem Buschabenteuer) der Hammer! Wir fühlen uns wie im Paradies…

 

21. – 31. Mai 2012 - Kamanjab – Etosha – Windhoek: Wir werden Zeugen eines spektakulären Autounfalles, erleben nochmals Wildlife pur in der Etosha und melden uns zurück in Otjiwarongo…

Drei Tage Ferien im Oppi Koppi in Kamanjab sind wohltuend und bringen uns weiter in Sachen Verschiffung und Heimreise nach Europa. Endlich wissen wir, dass wir die Schildkröte in Port Elizabeth aufs Schiff bringen und 14 Tage später in Vigo (Spanien) wieder in Empfang nehmen können. Wir sind echt happy, dass die Spanien-Variante doch noch möglich ist. Nun müssen wir uns noch um einen Flug kümmern, denn eine Mitreise auf dem Schiff wird mit unseren zwei noch kleinen Kindern leider nicht zugelassen.

Am 24. Mai verabschieden wir uns von unseren herzlichen Gastgebern in Kamanjab, machen einen kurzen Mittags- und Einkaufshalt in Outjo, bevor wir wieder nordwärts in Richtung Etosha Pan abbiegen. Wenige km nach Outjo sehen wir am Horizont eine Staubwolke aufwirbeln. Eine Windhose? Nein, Windhosen sehen anders aus… Kurz darauf wissen wir mehr: Ein Autounfall! Ein völlig demoliertes Auto liegt 30 Meter abseits im Busch und zwei Leute winken wie verrückt. Anhalten! Wir befürchten das Schlimmste. Sämi tastet sich vorsichtig durchs hohe Gestrüpp und über den Farmzaun zum Unfallwagen hervor, während ich mit den Kindern vorerst besser im Auto bleibe und abwarte. Zu unserem riesigen Erstaunen sind die zwei Autoinsassen völlig unverletzt dem total kaputten Auto entstiegen: Es sind zwei Australier, die es mit ihrem Mietauto zweimal überschlagen hat, nachdem ein Reifen geplatzt und das Auto ins Schleudern geraten ist. Bis auf ein paar Kratzer und einem gehörigen Schreck scheint das ältere Paar soweit unversehrt geblieben zu sein. Wir können es kaum glauben! Sämi hat schliesslich in seiner Rettungsdienst-Zeit selten Opfer unverletzt aus dermassen zerdrückten PWs geborgen… Wir sind natürlich froh, dass wir erste Hilfe nicht in medizinischer sondern lediglich in organisatorischer Art leisten «müssen». Mit unserm Handy kann sofort der Autovermieter informiert werden. Die Australier wollen heute noch in die Etosha rein, weil sie eine Buchung im Okaukeujo Camp haben. Wir wollten eigentlich erst morgen früh in den Park, um die teuren Campinggebühren im Park zu umgehen. Aber selbstverständlich bringen wir die beiden an ihr Ziel und ändern halt unsere Pläne entsprechend.

Zwar wird unser Etosha-Aufenthalt etwas teurer als geplant, dafür aber werden wir mit einer ganzen Löwenfamilie (8 Löwen, inkl. Männchen!!) bei Sonnenuntergang belohnt und auch Nashorn, Elefant, Giraffe, Zebra, Hyäne, etc. lassen sich noch am selben Abend von uns entdecken und beobachten. Am nächsten Morgen werden unsere australischen Freunde mit einem neuen Mietauto ausgestattet und so trennen sich unsere Wege hier wieder. Denn sie müssen los, schliesslich geht morgen bereits ihr Flieger ab Windhoek! Einmal mehr wird uns bewusst, wie schön wir es haben: Wir haben sooo viel Zeit für alles, müssen nicht hasten und können unsere Pläne kurzfristig ohne Mühe ändern und v.a. nennen wir uns SEHR glücklich, dass wir von einem derartigen brutalen Unfall verschont geblieben sind. Unsere «Busch-Pannen» der letzten Tage erscheinen uns schon fast lächerlich im Vergleich…

A propos Zeit: Wir mögen nicht in einem Tag durch die ganze Etosha sausen und so legen wir nochmals eine Übernachtung im Halali Camp ein, mit dem Resultat, dass wir uns im Pool erfrischen und am Wasserloch am Abend nochmals Nashörner beim Trinken beobachten können. Am Pfingstsamstag wollen wir gemütlich aus dem Park raus fahren, wir sind gesättigt von den vielen vielfältigen Tierbeobachtungen und dann noch das: Ein Leopard direkt neben der Strasse! Was für ein riesen Glück wir doch haben! Jetzt haben wir den fünften im Bunde (hier sprechen ja alle immer von den «Big 5») auch noch gesehen… Wir lassen die Etosha zufrieden und müde hinter uns und werweissen, ob es wieder 12 Jahre dauern wird, bis wir wieder kommen…?

Am Pfingstsonntag statten wir nochmals Hans und Moni in Otjiwarongo einen lohnenswerten Besuch ab, bevor wir wieder in die Hauptstadt rollen, wo es einiges zu erledigen gibt: Iveco-Garage (das wird nochmals eine richtig mühsame Angelegenheit: schlechte Arbeit, falsche Rechnung, diskutieren, reklamieren, …), Internet, Einkauf, …

In den ersten Juni-Tagen heisst es dann ein zweites Mal und definitiv Abschied nehmen von «